Menschen sterben, viele Menschen fürchten um ihre Lieben und ihre Arbeit, wir müssen zuhause bleiben, manch einer fühlt sich isoliert. Fundierte Informationen sind in dieser Zeit wichtig. Es ist kein Geheimnis, dass wir dem bewegten Bild besonders viel Aufmerksamkeit schenken. Auch hat nicht jeder ein Abo von Streaming-Anbietern. Der klassische Flimmerkasten wird/Free-TV-Sender werden plötzlich ganz relevant, um uns zu informieren, aber auch um Trübsal zu vertreiben, Hoffnung zu machen, Ablenkung zu schaffen. Schade nur, dass — abseits des Feiertagsprogramms und abseits prägnanter Informationsangebote — bisweilen eher Angst und Verdruss begünstigt werden, weil es eben kein Thema jenseits von Corona mehr zu geben scheint.
Bevor es nun heißt, dass sei gefühlslos: Das Folgende geht nicht gegen eine informative Berichterstattung zu Corona. Ganz im Gegenteil geht es mir darum, dass viele Menschen Angst haben und neben gut aufbereiteten Informationen aus etwa anderes brauchen. Im Folgenden geht es um die mit dem großen Anteil an Fernsehen über Corona verbundenen Phänomene — gut und schlecht, in Graustufen. Aber beginnen wir mit etwas Grundlegendem:
Unterschiede und Gemeinsamkeiten: klassisches und modernes Fernsehen
Das klassische Fernsehen, gar das Fernsehen per se sei tot, hieß es bereits vor Jahren mit Etablierung der Streaming-Dienste von Maxdome, Netflix, Amazon Prime usw. in Schriftsätzen euphorischer Journalisten und ebensolchen Wissenschaftlern. Die angebliche Revolution ist vielfach ausgebleiben. Denn in vielerlei Hinsicht haben sich die Streaming-Dienste, auch wenn sie im Marketing stets bemüht sind, nicht als Fernsehen rüber zu kommen (Viele Bildungsbürger oder solche, die es sein wollen, lehnen das Fernsehen habituell nach wie vor ab), zu Fernsehartigen gemausert: Wie bei traditionellen Kanälen bekommt man bei keinem Streaming-Dienst alles; was der unaufhaltsame Fluss der Programme auf dem Flimmerkasten ist, ist bei den Video-on-Demand-Anbietern die automatische Weiterleitung und Empfehlung. Wie klassische Kanäle, die Serien aus der ganzen Welt aufkaufen, versuchen Apps wie die von Apple TV alle Anbieter oder zumindest bestimmte Angebote zu koppeln bzw. auf einer Plattform zusammenzubringen.
Aber nichtsdestotrotz: Der Anschaulichkeit halber lässt sich unterscheiden zw. klassischem Fernsehen und modernen Fernsehformen. In der klassischen Weise wird — im gebühren- und werbe-finanziertem öffentlich-rechtlichem Free-TV oder im werbefinanziertem Free-TV (jeweils mehr oder minder zugängliche und umfängliche Mediatheken inklusive) — ein rund um die Uhr laufendes Programm ausgestrahlt, das abseits von Feedback (≈ Quoten) oder (auf andere Art ermittelter) Vorlieben etc. des Publikums, recht unbeeinflusst daherkommt und meist nicht angehalten werden kann. Bei der modernen Variante handelt es sich vor allem um Pay-TV-Streaming-Anbieter — mit Flat- oder Pay-per-View-Bezahlung, jeweils zeitlich und örtlich flexibel abrufbar, nach Wunsch des Abo-Inhabers. Soweit die grundlegende Definition.
Ein weiterer — entscheidender — Unterschied ist das Informationsangebot: Redaktionelle bzw. journalistische Arbeit gibt es bei den Streaming-Diensten meist nur als Endprodukt bzw. projektspezifisch in Form von Dokumentationen, es gibt in der Regel keine Nachrichten oder andere aktuelle Angebote. Es gibt auch keine oder kaum in dieser Art aktuelle (Polit-)Talkshows …
NACHTRAG, ENDE APRIL 2020: Netflix bietet nun eine Dokumentation über das Coronavirus im Rahmen einer erklärenden Doku-Reihe: Die Sendung habe ich noch nicht geschaut. Allerdings bin ich mir aus meiner auch wissenschaftlichen Perspektive heraus nicht sicher, ob die Prämisse der Serie allzu vielversprechend ist: » … die Welt für immer verändert (…) erörtert … die Auswirkungen« Überspitzt wäre zu fragen, hat man bei Netflix eine Zeitmaschine? Wie kann man das alles bereits absehen? Oder mischt sicher hier reißerischer Marketing-Sprech mit einer US-amerikanischen Selbstsicherheit? Ich weiß es nicht … sollte ich das Formate gesehen haben, wir es ein Update geben.
Talkshow-Schwämme: Den letzten Free-TV-Zuschauern den Rest geben (?)
Gehören Sie auch zu denen, die auch deswegen Streaming und Co. lieben, weil sie von der Flut der Talkshows befreit wurden? Ich jedenfalls. Aber richtig, die Nachmittagstalkshow ist im Wesentlichen seit mehr als einer Dekade verschwunden — wenn auch bestimmt bald oder bereits wiederkehrend (Denn wie immer wird die Welt von seriellen Konzepten zusammengehalten. Und zum Seriellen — definiert als Spiel mit Erwartungen — gehört das Vergessen, sodass bereits Dagewesenes zumindest in Variation wiederkehren kann, hier vielleicht für eine neue Generation, denen diese Formen unbekannt sind oder alte, deren Übersättigung sich abgebaut hat). Nur nicht als Politik-Format ist die Talkshow ad acta gelegt worden, insbesondere im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erweist es sich als beständig.
Es ist hier nicht der Platz ausführlich darüber zu streiten, ob dieser Formate generell, also auch abseits der derzeitigen Krise, wirklich Sinn machen. Nur kurz — als Exkurs sozusagen — lohnt sich ein Blick auf die meiner Meinung nach problematischen Facetten dieser Formate: Die begrenzte Zeit der jeweiligen Sendungen, die Anzahl der Gäste, die Qualität der Gäste, die Eigenarten von Moderation und Redaktion führen nicht selten dazu, dass die Sendungen, statt einen Meinungsaustausch oder eine Vertiefung eines Themas zu ermöglichen, in einem Wulst bereits an anderer Stelle verbreiteter Plattitüden münden.
Klar, man sollte keine Kompromisse oder Übereinkünfte, gar Lösungen gesellschaftlicher Probleme im Rahmen derartiger Shows erwarten. Die Intention solcher Formate ist — und die ist zweifellos nicht nur auf Quoten zu reduzieren, sondern gerade bei den Ö‑Rs auch ein gesetzlich zementiertes, und zwar echt bildungspolitisches Anliegen —, Meinungsbildung zu unterstützen und damit auch unterschiedliche Perspektiven zu zeigen. Übrigens auch wenn meine Präferenz anderes vermuten lässt, ist und finde ich die Polittalkshow nicht pauschal schlecht, es ist mir einfach zu viel.
Denn die Menge der Formate tendiert in einer oder dieser Krise dazu, dass alle über ein und dasselbe Thema sprechen — womöglich noch gleichzeitig. Das kann zum Bumerang werden, denn das Überangebot kann eine Ermüdung und damit auch die Ignoranz einem oder dem aktuellen Thema gegenüber beflügeln. Was wiederum den kommerziellen Erfolg der Show, des Senders sowie, analog zur Überschrift, des Fernsehtyps langfristig gefährden kann — mal abgesehen von den negativen Effekten auf Seiten des Publikums: Stichworte »Angst« und wie gesagt »Ignoranz«. Übrigens mag es nicht schön sein angesichts der derzeitigen Krise hier von wirtschaftlichen Aspekten zu sprechen, aber sicherlich muss es für alle weiter gehen … auch für das Fernsehen.
Exkurs: Polit-Talkshows für Politiker nicht immer günstig
Jedenfalls schon abseits dieser TV-bezogenen Perspektive ist die Polit-Talkshow eine zwiespältige Angelegenheit: Politiker und Experten gelingt es regelmäßig nicht, vertiefend in ein Thema einzusteigen — besagte Kürze oder Moderationsfähigkeiten, die individuellen kommunikativen Fähigkeiten auch einzelner Gäste gegenüber eventuell sehr populistisch und laut auftretenden Gästen spielen hier eine Rolle.
Sicherlich kann in diesem Zusammenhang zurecht gefordert werden, die sogenannte »Nutzerbrille« aufzusetzen. Mit dieser zeigt sich dann, dass natürlich laute Botschaften und Botschafter in unserer gegenwärtigen Welt (oder vielleicht immer schon?) besonders viel Aufmerksamkeit erfahren. Sicherlich stimmt es, dass der Inhalt nur eine Komponente unter vielen ist. Damit ist das, wie man etwas sagt, mindestens genauso wichtig, wie das, was man sagt.
Falsch ist es aber, damit auf Inhalt ganz zu verzichten oder den Inhalt zu stark der Inszenierung zu opfern. Oder noch einmal anders: Das Wie kann nicht folglich immer nur aus Lautsein oder Vereinfachen bestehen. Denn dass das besagte laute Auftreten so erfolgreich ist, hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass — meiner Erfahrung nach — kommunikations-bezogene oder ästhetische Bildung in unserer Gesellschaft kaum oder gar nicht ausgeprägt ist. Das kann anfällig dafür machen, für keinerlei Inhalte zugänglich zu werden (zur Relevanz kommunikations-bezogener Erziehung hier mehr). Umgekehrt übrigens auch dafür, dass man ästhetische Aspekte nicht deuten oder verstehen kann … Denn Inhalt, Erzählweise und Audio-/-Vision sind praktisch ineinander übergehende Größen.
Überdies müssen sich zu oft erscheinende Talkshowgäste auch immer die Frage gefallen lassen, wie sie den Besuch der Sendungen — angesichts von Aufwand hinsichtlich Anreise- und Aufzeichnungs-Zeit — mit ihrer eigentlichen Aufgabe in Einklang bringen. Schließlich hat auch Ihre Woche nicht mehr Stunden als die anderer.
Corona-Talks nun auch noch bei den Privaten — Oh, Mann!
In der Krise ist nun überdies zu beobachten — von RTL bis ProSieben —, dass man sich im Privatfernsehen an Diskussionsshows oder Call-in-Formaten zur Krise versucht. Wenn also auch nicht unbedingt an Talkshows, aber in vielerlei Hinsicht an Formaten, die den Polittalks in Teilen anverwandt sind. Sicherlich — ähnlich den öffentlich-rechtlichen Talkshows — mit einer wohlmeinenden Absicht und mindestens ebenbürtiger Qualität: nämlich Fragen zur Krise zu klären, gar aufzuklären, Meinungen zu bilden … Durchaus finde ich es zudem beeindruckend, wie sehr sich die Privatkanäle gesellschaftlich engagiert — etwa mit den wiederholten Hinweisen, man möge zuhause bleiben. Diese konsistente Kommunikation ist meiner Meinung nach bei den Ö‑Rs wenig ausgeprägt oder konsistent.
Dieses Vorgehen — also die Diskussion um Corona — mag in Sachen Quote überdies ebenfalls Potential haben (wie gesehen, auch die Ö‑R-Anbieter haben derartige Interessen). Ob es langfristig klug ist, auf diesen Zug aufzuspringen und damit die Vielfalt des linearen Free-TVs noch weiter — zumindest in Anbetracht des momentanen, deutschlandweiten Zuhausebleibens — zu reduzieren, mag mit Bezug auf die Überschrift zu bezweifeln sein: Um diesen Talks und Co. zu entkommen, bleibt in Corona-Zeiten dann doch nur das Abo einer Streaming-Plattform. Oder sollte man dem allen gar nicht entkommen, weil das Thema zu wichtig ist?
Wiederholungen für die, die es immer noch nicht begreifen? Der Versuch, ein Segment zu sichern — gegenüber dem Streaming-Diensten? Oder notwendige Maßnahme zur »Füllung« des Programms?
Das bisher von mir als inflationär betrachtete Senden über Corona mag mit Blick auf einen persönlichen Kommentar meiner Person vor zwei Wochen alles andere als übertrieben sein (hier): Denn ganz offenbar ist dieses Krise für viele immer noch etwas Entferntes — so auch ein weiteres Mal bemerkbar bei einem Einkauf am 7. April 2020: Automatische Durchsagen prägten den Markt — »Bitte zügig einkaufen!«, »Bitte alleine einkaufen!« »Bitte möglichst wenige Oberflächen berühren!« usw. Die Realität: Mit Kind und Kegel, mehr Pärchen denn zuvor (Kann man nicht mal mehr alleine einkaufen?), minutenlanges Blockieren der Regale, weil man sich auf zig Packungen — per Anfassen — die Inhaltsstoffe durchlesen muss … ≈ fast wie immer, bisweilen sogar noch spleeniger, so mein Fazit.
Vielleicht sind Wiederholungen also sinnvoll und notwendig — nach dem Motto einer seriellen Verdichtung bis es auch der Letze begriffen hat, bis es auch diejenigen begreifen, die sich immer noch beklagen, keinen Urlaub machen zu können. Allerdings bleibt dieses unausweichliche Sprechen über Corona eine Gratwanderung — zw. »die letzten Ignoranten draufstoßen« und »Overkill bei Informierten« sowie »auf den Granit der Ignoranz beißen, bei denen, die das Thema ohnehin ignorieren«. Dazu unter mehr.
Oder ist es ganz anders? Ist der starke Fokus auf dem Thema im Free-TV, auch bei den Privaten, ein Versuch (neben Aufklärung etc.) sich — ohne böswillige Absicht/Im Nebengang — zu positionieren gegenüber dem Streaming-Diensten? Denn kostenintensive Redaktionsstrukturen finden sich bei den Streaming-Diensten nicht, Informationen über erworbene oder bisweilen selbstproduzierte Dokumentationen hinaus bieten sie nicht — jedenfalls nicht zeitnah. Solche Informationen nun sind aber die Stärke besagter, und zwar klassischer Sender — ja, auch der Privaten. Das hebt sie alle von Streaming-Diensten ab. Eine Alleinstellung also — eine Strategie aber nicht ohne Risiko. »Jedenfalls sind« oder »denn« auf Netflix »sind« zumindest kurzzeitig Dokumentationen über Pandemien im Trend …
Vielleicht mischt sich in dieses Vorgehen aber auch Pragmatismus: Insbesondere das, was wir im Free-TV an Nicht-Aktuellem sehen, ist meist vor Monaten, bisweilen Jahren, produziert worden. Oder besser gesagt gedreht worden, es folgt das Editing (der Schnitt), Soundesign, Musik etc. — das sind je nach Format sehr aufwendige Arbeiten. Das Ergebnis wird nach und nach ausgestrahlt. Derzeit kann nur noch sehr begrenzt Entsprechendes — Spielfilme, Serie, Doku-Soaps etc. — nachproduziert werden. Alles jetzt zu versenden, als sei nichts gewesen, oder sogar besonders das Ausstrahlungsvolumen von selbstproduzierten oder gekauften Formaten zu erhöhen, würde dazu führen, in einigen Monaten nichts mehr Neues ausstrahlen zu können oder das Budget stark auszureizen. Zudem bedeutet eine eventuell während der Krise steigende Quote (wie gesagt, auch die Streaming-Anibeter profitieren, gerade wegen des im Folgenden weiter thematisierten Overkills im Free-TV) nicht unbedingt mehr Einnahmen, sondern im Zuge der druch die vorliegende Krise wegbrechenden Werbeeinnahmen, sogar finanzielle Engpässe.
Hier ließe sich also durchaus, wie vielfach in den letzten Jahren — abseits populistischer Annexionen des Themas — Kritik am Öffentlich-rechtlichen Fernsehen üben: Zwar mögen auch die Gebühren im Zuge der Krise zurückgehen, auch die partiellen Werbeeinnahmen sinken. Aber abseits bisweilen — wie am Beispiel Talkshow erkennbar — problematischer Auseinandersetzungsversuche mit Corona glänzen die ÖRs derzeit (oder wiederholt) nicht mit großer Mühe gegenüber ihrem (potentiellen) Publikum — insbesonder mit Blick auf einen Ausbruch aus der heimischen Isolation: So sind Spielfilme und Familienunterhaltung etc. doch die Ausnahme … Dazu unten mehr. Meiner Erfahrung nach sind die oft lopulten Verwaltungsstrukturen ein großes Problem und ein ebensolcher Kostenfaktor, der auch hier sicherlich im Wege eines ambitionierteren Programms steht.
Die Produktion von krisen-bezogenen Formaten ist sowohl für ÖRs als auch Private einfacher zu realisieren. »Einfacher« nicht als Abwertung oder Geringschätzung, sondern, weil man einen, mehr oder minder auch über die konkrete Krise hinaus, stehenden Apparat von Profis im journalistischen Bereich vorzuweisen hat.
Zoom, Facetime oder Skype im professionellen TV? So wird am eigenen Ast (dem des professionellen TVs) gesägt
Was allerdings meiner Meinung über den ersten Moment hinaus so gar keine Werbung für die klassischen Free-TV-Anbieter bietet, ist unterhaltende Shows zu produzieren, die über Videochats realisiert oder durch Übertragungen via Videoschalten privat nutzbarer Dienste ergänzt werden. Das ist zweifelsohne zunächst schlicht praktisch ≈ die Nutzung vorhandener Strukturen, um weiter zu machen. Sicherlich geht es bei diesem Aufgriff verbreiteter Videokonferenz-Lösungen auch darum, authentisch zu wirken. Um eine Verbindung zum Zuschauer herzustellen — »Sieh, wir, die Sender, die Promis, haben auch mit Corona umzugehen!«. Das ist zunächst durchaus nachvollziehbar und sinnvoll. Übrigens sollte hier nicht in den Modus verfallen werden, vor diesem Hintergrund eine Manipulation abzuleiten — es geht hier um ein schlicht menschliches Phänomen: Wir alle haben es gerne, dass uns ein Gegenüber versteht.
Dann aber oder über den ersten Moment hinaus: Damit — mit solchen Amateur-Videos — ist das Netz bereits voll. Oft wenig professionell, dafür aber authentisch wirkend oder seiend. Wenn nun die großen Sender es auch »so« machen, wozu sind sie dann rein von der Qualität her noch gut? Klar, für viele eine rhetorische Frage, aber sich vermutlich für manch einen doch stellend.
Übrigens fußt auch der Erfolg des Authentischen auf einer kommunikationsbezogenen Unwissenheit: Denn das Authentische oder besser, was man dafür halten soll, wird ja mittlerweile gezielt kreiert. Es kommt zwar aus einem authentischen Hintergrund, das Authentische ist aber zur Konvention geworden, die man aufgreifen kann. Nicht nur in Asien gibt es bereits ganze Bürokomplexe für professionelle Social-Media-Studios, die so gar nicht professionell wirken wollen — zumindest auf dem Bildschirm. Alles voller Jugendzimmer oder privat anmutender Räume — als Kulisse, in denen sich die »Creators« selbst filmen, natürlich hochkant, nicht wie im Kino, Film oder hochwertigen Formaten im horizontal orientierten Breitbild. Es soll ja wie gesagt authentisch bzw. (teil-identisch:) echt wirken und damit einhergehend bisweilen unbeholfen — ist es aber so gar nicht.
Da wäre man besser beraten gewesen, dass sich manch Zugeschalteter in Woche II des »Zuhausebleibens« doch mal eben vom Sender oder selbst ein Ansteckmikro besorgt; das Handy in die Horizontale zu drehen, statt als Medienschaffender (und dazu gehören ja auch jene Personen vor der Kamera, auch sie sollten technische Grundkenntnisse haben) wie eine unwissende Privatperson mit Raumhall in die Kamera zu sprechen.
Talkshow-Schwämme: Overkill zum Thema, mindestens die Informierten haben es bald über
Die umfassende Berichterstattung ist wie gesagt natürlich keinesfalls schlecht — sie informiert immer wieder: durch neue Infos oder wie gesagt jene, die noch zu wenig informiert sind. Diejenigen, die von Anbeginn die Krise ernst genommen haben, werden aber ermüdet. Das mag klingen, als seien sie überheblich. Das wäre aber zu einfach – denn etwas immer wieder zu thematisieren, ist ein zwiespältiges Vorhaben: Einerseits wird etwas auf diesem seriellen Wege immer wieder ins Bewusstsein gerufen, gefestigt. Anderseits kann es damit belanglos werden — weil man es so oft gehört hat, hört man es quasi nicht mehr.
Wie bereits einleitend beschrieben hat das lineare Fernsehen grundsätzlich den Vorteil theoretisch weniger ignoriert zu werden. Weil man eben nicht wirklich wegschalten (höchstens ausschalten) kann — was, wie ebenfalls bereits gesagt, in diesem Zusammenhang ein umfassendes Informieren bedeuten könnte, auch derer, die so einiges nicht mitbekommen. ——— Übrigens ist auch das, abseits der derzeitigen Krise, eine oft im Abgesang auf das klassische Fernsehen unterschätze Eigenart desselben: das einem oberflächlich betrachtet vorgegebene Programm. Denn bei den Steaming-Diensten stets die Auswahl zu haben, überfordert viele Menschen, zumindest in manch einer Lage: Abends nach der Arbeit noch durch die zahlreichen Offerten der Streaming-Dienste klicken, kann (zu) anstrengend sein. Nicht umsonst, habe die Streaming-Dienste immer mehr (wieder auf die Nähe zum klassischen Fernsehen verweisend) damit begonnen, Top-Tens oder umfassende Empfehlungssysteme zu entwickeln, um das Entscheiden zu vereinfachen. ——— Durch den Overkill im Free-TV nun jedenfalls könnte hingegen aber auch ein langfristiges Meiden der Sender bestärkt werden — gerade bei denen, die sich bereits informiert haben oder mit routinierter Strategie regelmäßig informieren. Denn wie ja eingangs festgehalten, neben dem klassischen Fernsehen gibt es zahlreiche andere Anbieter (eben insbesondere via Streaming), die das Abschalten immer wahrscheinlicher machen …
Auch diejenigen, die partout nicht für Informationen zur Krise zugänglich sind — sei es, weil es ihnen gelingt, kognitive Dissonanzen gut zu überwinden (»Ich bin noch nie krank geworden, dann wird auch jetzt nichts passieren!«), sei es, weil sie sich von Verschwörern haben einwickeln lassen (»Das ist doch nur eine Gruppe!«) und damit gegen Fakten immun sind —, werden sehr wahrscheinlich durch eine umfassende oder beinahe unausweichliche Berichterstattung ohnehin nicht erreicht. Das ist zwar nicht gut, aber dennoch, meiner Meinung nach, eine bedauerliche Tatsache. Echten Fanatikern, die vollends vereinnahmt sind, ist nicht zu helfen. Sie können nur später erinnert werden, dass sie, als es möglich war, alle Hinweise ignoriert haben. Oder — wie in diesem Blog immer wieder betont — sollten Menschen auch vor Fanatismus bewahrt werden — durch kommunikationsbezogene Erziehung als Prävention …
Doch damit nicht genug — es bleibt noch ein weitere Stolperstelle bei einer Überrepräsentation eines Themas, die sogar, statt zu informieren, Angst schürt:
Exkurs — die Fatalität des Orakelns
Sicherlich können umfassende Informationen immer auch, je nach persönlicher Sicht, Angst hervorrufen. Wir wollen hier gar nicht die sogenannte »Kultivierungsthese« bemühen, die ähnliche der Diskussionen um kommunikative Blasen, darauf verweist, dass die Rezeption ein und desselben Themas oder genre-technisch identischer Formate (in der die These begründenden Studie waren es Krimi-Formate) etc. die Weltsicht verändert (»Verbrechen haben zugenommen …«). Wie bereits beschrieben ist es jetzt gerade natürlich so, dass es eine thematische Häufung gibt. Natürlich kann die Krise schon von sich aus Angst machen und vielleicht besonders viel Angst verbreiten, weil überall von ihr gesprochen wird. Und diese Angst ist im vorliegenden Fall begründet — nicht nur Existenzängst, auch die Angst um die Gesundheit lieber Mitmenschen. Angst kann sich aber auch vom konkreten Fall lösen und eine angsteckende Dynamik entwickeln. Das ist shcon ein mehrfach in diesem Blog behandeltes Ding, das in Tielen oder von Fall zu Fall mit Medienkompetenz zu tun haben kann und in Aussagen mündet, wie »Das hat es früher nicht gegeben!«, entgegen der Faktenlage wohlgemerkt.
Im konkreten Fall ist — meiner Beobachtung nach — einerseits das Problem zu beobachten, dass die definitiv angespannte Situation und Gefahr immer noch von einigen oder zu vielen ignoriert werden. Andererseits möchte ich meinen, dass, wenn die Situation/die Pandemie selbstverständlich schrecklich ist, es ebenfalls gefährlich wird, einen Angst-Overkill zu riskieren — insbesondere, wenn man aus den eigenen vier Wänden derzeit physisch nicht wirklich herauskommt. Und das kann mit einem Zuviel über das Thema riskiert werden.
Aber nicht nur durch ein Zuviel: Dies Krise ist auch — wieder, muss eigentlich gesagt werden — die bedauerliche Stunde von Populisten oder Verschwörungstheoretikern: Sie nutzen schlicht aus, dass so wenig über Kommunikation und Medien bekannt ist, zu wenig »trainiert wurde, jetzt in einer bzw. der Krise, gezielt Quellen zu wählen oder die Menge an Corona-Informationen in der häuslichen Isolation in ein gesundes Maß zu verwandeln.
In diesen Zusammenhang zählt auch ein weiteres Phänomen: Normalerweise sind gut aufbereitete Fakten immer etwas nüchtern. Gerade weil sie nicht auf den Putz hauen wie Populisten, haben solche Informationen immer einen Nachteil gegenüber besagten Populisten. Dieser kann auch dann nur teilweise — aber er kann — mit Storytelling ausgeglichen werden: eine bessere, aber nicht verfälschende Aufbereitung von Informationen: Geschichten bleiben hängen … Wie gesagt, um dies zu erkennen, bedarf es aber kommunikations-bezogener Bildung. Ein seriöser Einsatz des Storytellings gelingt, meiner Meinung nach, bei den Privaten recht gut — etwa in Infotainment-Formaten wie Galileo.
Das Problem, von dem nun aber hier — in der Zwischenüberschrift — die Rede ist, ist das der selbsterfüllenden Prophezeiung: Am Ende tritt nicht selten genau das ein, was man sich wünschte bzw. fürchtet. Es wird quasi unterbewusst auf selbst Ungewolltes hingearbeitet. Dennoch boomt es — das Orakeln, auch oder gerade durch echte oder (wie gerade gesehen) Experten, die es sein wollen: »Die Welt wird eine andere sein!« »Die Wirtschaft wird am Boden liegen …« »Wir werden uns auf eine große Rezension einrichten müssen!« usw. Echte Experten jedenfalls sollten sich mehr zurückhalten in Sachen Prognosen — denn die momentane Situation ist ja ohne konkretes Vorbild. Meiner Meinung nach werden wir eher überrascht sein, im Positiven wie Negativen, dass sich weniger ändert, als man denkt. Wie jeder, der schon mal einen geliebten Menschen verloren hat, wird man nach einer Zäsur merken, dass vieles schneller denn gewollt in gewohnte Bannen zurückkehrt — und zwar in dem Sinne, dass der Spielraum, den man als Trauender erhält, recht schnell ausläuft und die Welt um einen (als Trauernden) herum so weitermacht, wie sie es immer getan hat …
Was wäre nun also ein besseres Vorgehen? Wenn man das so überhaupt sagen kann: Wir sollten uns stets daran erinnern, solche eine Situation hat es noch nicht gegeben! Das Folgende ist daher eine subjektive Sicht, nicht mehr und nicht weniger:
Das kann besser funktionieren I: Aus Sondersituation etwas vorläufig Gewöhnliches machen
Das meint, »die Krise ist da, sie wird nicht so schnell vergehen«. Also muss man eine gewisse Routine etablieren — natürlich immer mit der Betonung, dass auch diese nicht für die Ewigkeit ist. Der ständige Sensationscharakter, der vermeintlich Specials notwendig macht, erhöht nur den Druck auf den Einzelnen oder Entscheider, die Situation gegen etwaige Vernunft künstlich bzw. zum Preis noch mehr Toter zu beenden oder die Unstetigkeit mit besagtem Orakel zu fördern. Eine größeres Informations- und Aufklärungsformat alle drei bis vier Tage reicht. Keine Specials, stattdessen ein täglicher, konkret erreichbarer Newsblock zum Status der Krise — fundiert und ohne ausufernde Emotionen und Vermutungen. Kombiniert werden kann das ganze durch kleine Infos-Blocks, ähnlich Werbespots: Das gelingt bereits den Privaten mit ihren Verweisen, zuhause zu bleiben, meiner Meinung nach sehr gut. Wenn auch die Ö‑Rs mittlerweise nachgelegt haben.
Das kann besser funktionieren II: Informationen und Unterhaltung
Insofern wäre es angesichts durchaus fundierter und vielfältiger Berichte gut, wenn die Anbieter — wenn sie es denn ressourcen-technisch können, wenn sie denn auch abseits Informationen Raum gegenüber den Streaming-Diensten gewinnen wollen — auf mehr Unterhaltung setzen bzw. eine Balance zw. Unterhaltung und Informationen herstellen würden.
Wir wollen hier nicht auf die mit dem Begriff »Unterhaltung« verbreitet verbundenen, gleichsam von wenige Durchblick kündenden Stereotypen eingehen. Unterhaltung ist weder pauschal trivial noch verdummend – unterhalten werden kann man auch durch Informationen. Hier geht es um das im Unterhaltungsbegriff mitgeführte Bedürfnis nach Abwechslung und Eskapismus. Gerade jetzt bei langen Aufenthalten in den eigenen vier Wänden ist selbiges Bedürfnis mehr denn je nachvollziehbar. Gleichsam ist es wichtig, dass es bedient wird. So wird vermieden, dass aus den vier Wänden eine Kammer der Angst wird, die nur mit Specials nach dem andere gefüttert wird, ohne, dass einem etwaige Hiobsbotschaften helfen. Insbesondere dann ist dieses Zuviel problematisch, wenn man nicht über kommunikationsbezogenes Handwerkszeug verfügt oder den Umgang damit trainiert hat, man also dazu tendiert, sich zu viel von der oder einer Krise »hereinzuziehen«. Leider ist das — meiner Erfahrung nach — kein kleiner Anteil des Publikums.
Fazit/Zusammenfassung
Die Ö‑R-Anbieter versuchen sich — zusammenfassend — an zahlreichen Informations- oder Diskussionsformaten, ähnlich die Privaten. Verschiedene Motive sind die Grundlage dazu: Aufklärung, das Programm füllen angesicht vor allem bei den Privaten drohender Einbußen. Das alle mag ein Strategie gegenüber den Streamingdiensten sein; auch, um sich gegenüber den Ö‑R weiter in Sachen Informationen zu behaupten. Leider wird dabei besagtes Unterhaltungsbedürfnis etwas »vergessen« — insbesondere die zahlreichen Ö‑R-Kanälen gelingt es nicht, auch mal anderes zu senden denn Corona. Den Privaten gelingt dies — der Spagat zw. Info und Unterhaltung — weiterhin besser — etwa im Senden von Familienfilmen in Form etwaiger Animationsklassiker. Aber bisweilen fühlt man sich doch veranlasst, auf Netflix und Co. umzusteigen …
Insgesamt sind wir noch nicht soweit, zu erkennen, dass es kommunikative Bildung mehr denn je braucht, um auch in solchen Zeiten fundiert sich selbst und andere zu schützen, gute Quellen in gesunden Maßen zu konsultieren. Wir können aber aus dieser Problemlage lernen — der Moment wird kommen, bis dahin:
Ich wünsche Ihnen allen ein gutes und gesundes Überstehen dieser Zeit. Es ist nicht für immer, Sie alle schaffen das!