Sie für sich Wissen: Heldenreise

Heldenreise
— Forschung in Theorie und Praxis

Archaische/universelle Narration und der Mythos in Medien & Film

Mythos ist zunächst ein Aller­welts­wort: Mythos »Mari­lyn Mon­roe«, Mythos »Sil­ber­pfeil« usw. Und doch ist er, der Mythos, weit mehr. Das auf den Psy­cho­lo­gen C. G. Jung zurück­ge­hende Kon­zept der Arche­ty­pen ver­leiht dem Mythos hin­ge­gen eine archai­sche, min­des­tens kul­tur­über­grei­fende, in jedem Fall inter­per­so­nelle Aura. 

Sol­che arche­ty­pi­schen For­men haben Joseph Camp­bell und Chris­to­pher Vog­ler in ihren Unter­su­chun­gen zum Erzäh­len erkannt. Sie haben sich sel­bige zu eigen gemacht, auf­ge­grif­fen bzw. nar­ra­tiv über­ar­bei­tet, um ihre Kon­zepte des Erzäh­lens her­aus­zu­ar­bei­ten. Bekannt sind diese Kon­zepte unter dem Begriff »Hel­den­reise« gewor­den. Seine »Jün­ger« fand und fin­det das Kon­zept in nam­haf­ten Fil­me­ma­chern wie James Came­ron oder George Lucas.

Tat­säch­lich las­sen sich in deren Wer­ken die nar­ra­ti­ven Struk­tu­ren der genann­ten Autoren bzw. der Hel­den­reise ein­deu­tig erken­nen. Zudem sind die so erzähl­ten Geschich­ten bzw. die Filme besag­ter Regis­seure regel­mä­ßig welt­weit außer­or­dent­lich erfolg­reich. Schein­bar kann also der Uni­ver­sa­li­täts­an­spruch mythi­scher Geschich­ten auf arche­ty­pi­scher Basis bestä­tigt wer­den. Weil sie dem ers­ten Ein­druck nach jedem Men­schen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­zial bie­ten bzw. eben auf Grund der arche­ty­pi­schen Basis »über­all ankom­men«.

kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­re­ti­sche Ein­ord­nung des Mythos bzw. der Hel­den­reise (Bache­lor The­sis Hahn (2009), RFH Köln — Dar­stel­lung in Anleh­nung an Mer­ten 1994: 309 ff)

Doch bereits Jung selbst gibt zu beden­ken, dass die Arche­ty­pen kaum direkt zu beob­ach­ten seien und meist einer kul­tu­rel­len Ver­fär­bung unter­lie­gen. So ver­stan­den ließe sich der Mythos als aus einem archai­schen Kern und einer kul­tur­spe­zi­fi­schen Prä­gung bestehend vor­stel­len. Und den­noch ist der Mythos in die­sem Sinne bedeut­sam und wird im Rah­men des soge­nann­ten »Welt­bild­ap­pa­ra­tes« zu einer Art Schema, wie jede/jeder seine Welt betrachtet.

Der Mythos könnte so durch­aus einer Selek­ti­ons­in­stanz im Welt­bild­ap­pa­rate ein­zel­ner Men­schen ent­spre­chen. [S. H.]

Ver­kürzt ist der Welt­bild­ap­pa­rat ein bei jedem Men­schen vor­han­de­nes Instru­ment — mehr der weni­ger bewusst, mehr oder weni­ger trai­nier­bar —, wel­ches uns dazu dient, uns ein Bild unse­rer Welt zu machen, sie sich über­haupt erst vor­zu­stel­len. Und um in ihr zu agie­ren. Die Idee des Welt­bild­ap­pa­ra­tes basiert auf dem soge­nann­ten »Kon­struk­ti­vis­mus« — einem kom­mu­ni­ka­ti­ons- bzw. medi­en­theo­re­ti­schen Kon­zept, wel­ches zu erklä­ren und beschrei­ben ver­sucht, wie Men­schen den­ken und han­deln, wie soziale Grup­pen agie­ren, wie die indi­vi­du­elle Vor­stel­lung von einer Welt entsteht.

Die Hel­den­reise als erzäh­le­ri­sches Kon­zept ver­fügt über zwei Kom­po­nen­ten: Da wäre zum einen eine Abfolge von Ereig­nis­sen zu nen­nen — beschreib­bar zw. dra­ma­tur­gi­schem Span­nungs­bo­gen und sche­ma­ti­scher Geschichte: Auf­bruch des Hel­den aus der gewöhn­li­chen Welt in eine andere, inklu­sive Hür­den bis hin zu einem zen­tra­len Kon­flikt usw. Zum ande­ren ist da eine Figu­ren­kon­stel­la­tion, die in die­ser Geschichte in ver­schie­de­nen Varia­tio­nen auf­tritt — neben bis­wei­len ambi­va­len­ten Hel­den, Schwel­len­hü­ter, Tricks­ter etc.

Dem­nach formt ein jeder / eine jede / div. eine eigene Vor­stel­lung von der oder einer Welt aus. Aber natür­lich gibt es noch wei­tere Ein­flüße wie das Umfeld, die Gesell­schaft usw. Genauso selbst­ver­ständ­lich gibt es über die indi­vi­du­el­len Welt­bil­der hin­aus Schnitt­men­gen — das theo­re­ti­sche Kon­zept ist aber ein ein­gä­ni­ger Ver­weis dar­auf, dass jeder Mensch eine eigene Per­spek­tive hat. Mit Blick auf die Arche­ty­pen aber auch dar­auf, dass wir eben alle Men­schen sind.

Am Mythos kann man erken­nen, dass es durch­aus über­grei­fende Kon­zepte, von einem zum ande­ren Mensch, gibt. Viel­leicht lässt sich die inter­kul­tu­relle Begeis­te­rung für und der welt­weite Erfolg von Block­bus­tern wie ›Ava­tar‹ und ›Tita­nic‹ aber auch auf wach­sende mediale, vor allem trans­kul­tu­relle Glo­ba­li­sie­rungs­ten­den­zen zurück­füh­ren. [S. H.]

Filme zum Bei­spiel oder all­ge­mei­ner Ideen oder Trends ver­brei­ten sich schnel­ler denn je. Und üben einen Ein­fluss auf uns aus — da braucht es nicht unbe­dingt etwas Archai­sches, das in even­tu­el­len Bot­schaf­ten ange­spro­chen wird. Aber Ach­tung: Bitte nicht in das ver­brei­tete, aber unqua­li­fi­zierte Spre­chen ver­fal­len à la »Die Medien mani­pu­lie­ren«. Medien sind Ein­fluss­größe und Spie­gel zugleich: Sie prä­gen uns und wir sie. Wenn näm­lich die Mani­pu­la­ti­ons­be­haup­tung stim­men würde, dann würde nicht so viel Wer­bung, wür­den nicht so viele Filme oder so zahl­rei­che Gesprä­che schei­tern. Ja, auch Spra­che ist ein Medium; Medien sind nicht nur Buch, Film etc. — auch um diese umfas­sende Ver­ständ­nis geht es in mei­nen Seminaren.

Hel­den­reise ange­wandt: Tra­gi­scher Held im Kurz­film, im Film Noir »break­FAST« (2011/12)

Nicht alles Gold, was glänzt

Denn bei all der Fas­zi­na­tion für das Kon­zept uni­ver­sa­lis­ti­scher Geschich­ten ist es kri­tisch zu rezi­pie­ren: Ver­schie­dent­lich kon­zep­tio­nell stark auf­ge­weicht, lässt sich die Idee der soge­nann­ten Hel­den­reise über­all erken­nen und hin­ein­in­ter­pre­tie­ren. Gerade im Mar­ke­ting der letz­ten Jahre ist der Begriff auf frucht­ba­ren Boden gefal­len — eine kurze Google-Recher­che zeigt, dass ent­spre­chende Werke weit ver­brei­tet sind. So gese­hen wird die Beweis­kraft des arche­ty­pi­schen Mythos sicher­lich auch überbewertet.

Den­noch las­sen sich dem Kon­zept des Mythos durch­aus psy­cho­lo­gi­sche, soziale, gar (was Trends etc. angeht) ästhe­ti­sche Wir­kungs­di­men­sio­nen ähn­lich der von Ste­reo­ty­pen oder Sche­men zuspre­chen. [S. H.]

Selbst ohne die archai­sche Facet­ten hat der Mythos Rele­vanz, ist er nutz­bar, hat Ein­fluss. Inso­fern lässt sich die von die­sem Phä­no­men aus­ge­hende Fas­zi­na­tion sowohl für Gestal­tende als auch Wis­sen­schaf­tende nach­voll­zie­hen — nicht nur in der Arbeit mit fil­mi­schen Medienprodukten.

Aber wie immer in Anbe­tracht von Sche­men: Mögen sie auf den ers­ten Blick auch ver­füh­re­risch sein, weil sie schein­bar etwas ein­fach machen oder man­che Men­schen ebenso ein­fach errei­chen zu schei­nen. Sie haben auch Schat­ten­sei­ten — offen­sicht­lich wer­dend mit dem Begriff »Ste­reo­typ«. Bei­spiele lie­gen auf der Hand. Eine bloße Anwen­dung des Mythos oder der Hel­den­reise — Stich­wort »Mar­ke­ting-Rat­ge­ber« — ist auch dies­be­züg­lich mit Vor­sicht zu genie­ßen: Sie sorgt für Über­sät­ti­gung und Mono­to­nie. Inso­fern kann ein dezi­dier­tes Wis­sen über Mythos und Hel­den­reise auch zum Bruch mit einem ver­brei­te­ten Schema — der Hel­den­reise bei­spiels­weise — die­nen, um Inno­va­tio­nen zu schaf­fen. Dar­über soll­ten wir in mei­nen Work­shops spre­chen.

Publikation

»Film und Wirk­lich­keit: Die Bedeu­tung des Mythos im Rezeptionsprozess«

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Projekte

»Drama im Stu­dio Bau­haus«
Dokumentation/ Infotainment/ Show:
16:9 (HDV), Lauf­zeit: ca. 30 min.,
ent­stan­den: 2010

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»break­FAST«
Kurz­film: 16:9 (SD)

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Weitere Forschungsfelder

Ein­tau­chen: So erle­ben wir nicht nur klas­si­sche Medien, so erle­ben wir die ganze Welt … vom Büro, Super­markt bis zum Urlaubs­ort.

Klar, TV-Serien. Aber noch viel mehr: Das Seri­elle fin­det sich über­all, es prägt uns und ist z. B. nutz­bar im Mar­ke­ting …

Mehr zur Heldenreise
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— in meinen Seminaren zur Heldenreise.
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Dr. Sönke Hahn

Erfah­rungs­schatz: Über 10 Jahre als aus­ge­zeich­ne­ter Fil­me­ma­cher und Desi­gner — u. a. prä­miert mit »Red Dot«, »iF Design Award« und »Ger­man Design Award«

Hin­ter­grund­wis­sen: inter­dis­zi­pli­näre Dok­tor­ar­beit an der Bau­haus-Uni­ver­si­tät Wei­mar, wis­sen­schaft­li­che Vor­träge und Publi­ka­tio­nen im Feld Kom­mu­ni­ka­tion und Medien 

Dr. Sönke Hahn, KOMMUNIKATION